#MeToo in Science - Diskriminierungsschutz auch für Studierende sichern! - Eine grandiose Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung im #saxlt

Am 2. Februar 2022 hatte die Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag einen Antrag mit dem Titel "#MeToo in Science: Diskriminierungsschutz auch für Studierende sichern!" (PDF) gestellt.

Die Sächsische Staatsregierung bezog am 8. März 2022 Stellung dazu (PDF).

Am 27. Februar 2023, als über ein Jahr nach Antragstellung erfolgte eine öffentliche Anhörung im Ausschuss für Wissenschaft, Hochschule, Medien, Kultur und Tourismus, zu der es zwar einen Livestream gab, der aber im Anschluss nicht als Mitschnitt zur Verfügung gestellt wurde.

Da ich einen Mitschnitt der öffentlichen Anhörung anfertigte, von dem leider der Anfang (aufgrund eines technischen Fehlers meinerseits) fehlt, ist es umso schöner, dass jetzt endlich das Wortprotokoll (PDF) zur Verfügung steht.


Denn die erste Stellungnahme, die von Frau Dr. Bettina Gruber-Scheller, war die gehaltvollste. Darauf folgten - mehr oder minder - nur noch Stellungnahmen von Interessenverbänden, die um einen Platz am "Futtertrog" kämpfen, um Nutznießer tatsächlicher, aber vor allem vermeintlicher Diskriminierung zu werden.

Ich habe die Stellungnahme von Dr. Bettina Gruber-Scheller extrahiert und möchte sie im Folgenden (Hervorhebungen von mir) wiedergeben:

Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich gehe in meinem Gutachten fachspezifisch primär auf die diskurs- und ideologiebezogenen Aspektedes Antrags „#MeToo in Science: Diskriminierungsschutz auch für Studierende sichern!“ ein.

Vorab möchte ich bemerken, dass die Landesregierung bereits alles
Erdenkliche tut, um Diskriminierung in jeglicher Form vorzubeugen. Der Freistaat hat bereits im Jahr 2017 eine Strategie zum Schutz vor Diskriminierung und zur Förderung von Vielfalt beschlossen. Er unterstützt die Arbeit der Koordinierungsstelle für Chancengleichheit, stellt Mittel für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zur Verfügung und vieles mehr.
Weitere vorgeschlagene Maßnahmen laufen daher Gefahr – wie man so schön sagt –, Eulen nach Athen zu tragen. Die tatsächliche Problematik und die eigentlich bedenklichen Aspekte liegen jedoch anderswo; und zwar im Bereich ideologischer Vorannahmen, insbesondere in der kritiklosen Betrachtung der MeToo-Bewegung, die in der Benennung des Antrags zum Ausdruck kommt. Die Forderungen nach einem immer weiter ausgedehnten Diskriminierungsschutz ignorieren eine ganze
Reihe potenziell sowie faktisch negativer Auswirkungen und Gefahren dieser Tendenz. Ich identifiziere vier zentrale negative Aspekte:

Erstens. Zunächst liegt die Gefahr einer unangemessenen Einmischung staatlicher Institutionen und sonstiger bürokratischer Stellen in private und gegebenenfalls sogar intime Kommunikation auf der Hand. Bei Beschwerden zum Thema Diskriminierung handelt es sich häufig um Ereignisse, die unterhalb der Strafbarkeitsschwelle und unter vier Augen stattfinden, sodass die Frage gestellt werden muss, inwieweit eine weitere Verregelung einen Eingriff in private Bereiche darstellt. Zudem werfen solche Fälle Fragen der Beweisbarkeit auf, die nicht zu vernachlässigen sind; ich bringe später ein Beispiel.

Wer sicherstellen will, dass Interaktionen, die als diskriminierend verstanden werden können, gar nicht erst stattfinden, benötigt Kontrollmechanismen. Zu Ende gedacht, müsste die Gesellschaft bzw. müssten die Bildungsinstitutionen lückenlos überwacht werden, um Diskriminierung zu vermeiden. Das ist ein dystopisches Szenario und mit
den Grundsätzen einer freiheitlichen Gesellschaft unvereinbar. Es lässt sich von einem „ideologisch motivierten Interventionismus“ sprechen.

Zweitens. Dieser Interventionismus geht einher mit einer Verwischung und semantischen Verschiebung des Gewaltbegriffs. Zwischen physischer, also körperlicher Gewalt und verbalen Angriffen, wie Beleidigungen etc., wird nicht mehr kategorial unterschieden. Diese Tendenz zeichnet sich in den letzten Jahren merklich ab und ist auch in der Istanbul-Konvention – dort etwa in Artikel 3 b – festzustellen,wo sie sogar ausdrücklich affirmiert, also bekräftigt wird. Dort ist von psychischer und übrigens auch von wirtschaftlicher Gewalt die Rede, ohne dass diese Begriffe im
Text, der sehr lang ist, jemals definiert würden. Das führt einerseits zu einer Tendenz, die Redefreiheit einzuschränken, andererseits verharmlost es physische Gewalt, die mit verbaler gleichbehandelt und dadurch unangemessen depotenziert wird. Es ist nicht dasselbe, ob eine Frau vergewaltigt wird oder ob ihr jemand in den Ausschnitt schaut bzw. eine entsprechende Bemerkung macht.

Allein dass ich hier der Klarheit halber von physischer Gewalt sprechen muss, ist das Ergebnis einer ideologieinduzierten Bedeutungsverschiebung des Begriffs „Gewalt“, der üblicherweise für körperliche Gewaltanwendung reserviert ist. „Gewalt liegt demnach nur dann vor, wenn der Täter durch körperliche Kraftentfaltung, die
allerdings nicht groß sein muss, Zwang auf das Opfer ausübt und dieser Zwang vom Opfer körperlich empfunden wird.“, so eine der juristischen Definitionen.

Die Erweiterung des Gewaltbegriffs stammt aus der Psychologie, wo sie durchaus sinnvoll sein kann, und hat mit der Praxis, Gesellschaft als eine Ansammlung von Opfergruppen zu begreifen, um sich gegriffen. Sie ist im Wesentlichen ein Ergebnis der Übernahme politisch korrekter Ideologeme aus der US-amerikanischen Wissenschaft, hat also eine ideologiegeschichtlich sehr spezifische Vorgeschichte.

Wenn schon unerwünschte Bemerkungen und andere verbale Interventionen als Gewalt bezeichnet werden, verwischt das ohne Not die Grenzen zwischen sehr unterschiedlichen Phänomenen und ist gegenüber realen Gewaltopfern geradezu zynisch. Der Gewaltbegriff wird semantisch ausgehöhlt, um verbales Verhalten dramatisieren, damit regulieren und letztlich kriminalisieren zu können.

Drittens. Auch der dritte Kritikpunkt an der Forderung nach flächendeckendem Diskriminierungsschutz gibt Anlass zu Bedenken. Dieser untergräbt systematisch die Unschuldsvermutung. Da bei Fragen sexueller Belästigung weit überwiegend Männer als aktiver Part fungieren und häufig keine Zeugen vorhanden sind, ist die Gefahr
eines Handelns auf der Basis misandrischer, also männerfeindlicher Vorannahmen sehr hoch.

Stellt sich die Unschuld einer Person heraus, sind der Ruf und unter Umständen die Laufbahn des Betreffenden bereits irreparabel ruiniert. Dass das keinesfalls graue Theorie ist, liegt auf der Hand.

Ich möchte das mit einem Beispiel untermauern, dass durch die internationale Presse gegangen, jedoch offenbar leider schon wieder in Vergessenheit geraten ist: den berühmten „Matratzenfall“ an der Columbia University.

Die US-amerikanische Studentin Emma Sulkowicz behauptete im Jahr 2014, von einem Mitstudenten vergewaltigt worden zu sein. Sie lenkte durch die sogenannte Mattress Performance, bei der sie aus Protest ein Semester lang mit einer Matratze auf dem Rücken über den Campus lief, um auf die angebliche Vergewaltigung hinzuweisen, die Aufmerksamkeit auf diesen Fall und damit auf den angeblichen Täter. Die Performance wurde übrigens als ihre Abschlussarbeit im Fach Kunst benotet.

Sulkowicz zeigte den jungen Mann erst zwei Jahre nach der angeblichen Tat an. Die Vorwürfe wurden nach langwieriger Untersuchung sowohl vom Untersuchungsgremium der Universität als auch von der New Yorker Staatsanwaltschaft zurückgewiesen. Der Student erhielt im Endeffekt Schadenersatz von der Columbia University – allerdings erst, nachdem er von dieser suspendiert, gemobbt, öffentlich angeprangert und auf Flyern als Serienvergewaltiger tituliert worden war.

Diese Gefahr von Falschbeschuldigungen und sogenannten Hate Hoaxes ist sehr ernst zu nehmen. Sie können die Existenz eines Menschen ruinieren. Diskriminierungsbeauftragte wären auch in dieser Hinsicht zu schulen und nicht auf einseitige Parteinahme zu konditionieren.

Viertens. Viertens und letztens möchte ich auf einen vernachlässigten Aspekt hinweisen, was besonders den Aspekt sexueller Belästigung von Studentinnen betrifft. Es handelt sich bei der Forderung nach der Institutionalisierung von noch mehr Diskriminierungsschutz um ein antifeministisches Projekt. Diese Aussage mag auf den ersten Blick überraschend anmuten, da das Stichwort MeToo das Gegenteil
suggeriert. Doch die Idee einer flächendeckenden Verhinderung jedweden als Diskriminierung verstandenen Aktes verfolgt ein Ziel, das den ursprünglichen Zielen des Feminismus diametral, also entgegengesetzt ist.

Der klassische feministische Diskurs, wie er sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt hat, war darauf ausgelegt, Frauen zu stärken.

Das Ideal war das einer selbständigen, resilienten Persönlichkeit, die sich in möglichst allen Lebenslagen zu helfen weiß. Der Frauentypus, den der Feminismus der ersten und zweiten Welle anstrebte, sollte politisch verantwortlich, robust und kompetent sein sowie die als klassisch weiblich geltende erhöhte emotionale Empfindlichkeit abgelegt haben.

Emanzipation bedeutet die Befreiung aus übergeordneten Zwängen; im Fall der Frau aus der Bestimmungsgewalt des Ehemanns. Eine solche ist durch die Verankerung der Gleichberechtigung im Grundgesetz und durch die gesellschaftliche Praxis der Bundesrepublik längst erreicht.

Ein übergreifender sogenannter Diskriminierungsschutz, insbesondere an den Universitäten, ist dagegen kein emanzipatorischer Fortschritt, sondern stempelt Frauen vorweg als potenzielle Opfer ab, die sogar zu schwach sein sollen, sich gegen verbale Belästigungen zur Wehr zu setzen.

An die Stelle des beschützenden Ehegatten tritt die universitäre oder staatliche Bürokratie, die Frauen ermuntert, sich auf deren Intervention zu verlassen, statt selbstbewusst zu interagieren, was auch im staatsbürgerlichen Sinne von zentralem Interesse ist. Das ist eine als „erlernte Hilflosigkeit“ bekannte Form der Viktimisierung, die im Endeffekt nicht nur für Frauen, sondern für die Lebensbewältigung aller denkbaren Gruppen kontraproduktiv ist.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Am 21. April 2023 erfolgte dann eine (ablehnende) Ausschussempfehlung (PDF), auf deren Basis eine Mehrheit des Landtages den Antrag am 26. April 2023 ablehnte.

Die Beschäftigung mit der "Istanbul-Konvention" ist auch für die kommende Sitzung des Dresdner Stadtrates am 11. Mai 2023 vorgesehen: Konzept zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in der Landeshauptstadt Dresden.

Fazit

Die institutionelle Diskriminierung von Männern ist bereits weit fortgeschritten. Sie drückt sich unter anderem in der Bevorzugung von Frauen bei der Bewerbung bzw. Einstellung in den öffentlichen Dienst aus. Dies kann jeder in den sogenannten Frauenföderungsberichten bzw. -statisitiken nachlesen. Auch durch die ausschließliche Berufung von Frauen auf die Posten der unzähligen Gleichstellungsbeauftragten in Sachsen wird dies deutlich.

Der Begriff der Diskriminierung wurde inzwischen von interessierter Seite so sehr verbogen, dass eine Rückbesinnung auf "alte Werte" dringend notwendig erscheint.

Und diese hat die - aus meiner Sicht - größte Denkerin des 20. Jahrhunderts wie folgt zusammengefasst:

„Diskriminierung ist ein ebenso unabdingbares gesellschaftliches Recht wie Gleichheit ein politisches ist. Es geht nicht darum, wie die Diskriminierung abgeschafft werden kann, sondern um die Frage, wie man sie auf den Bereich der Gesellschaft, wo sie legitim ist, beschränken kann; wie man verhindern kann, dass sie auf die politische und persönliche Sphäre übergreift, wo sie sich verheerend auswirkt.“ (Hannah Arendt)

Aufforderung

Es wird, nein ist höchste Zeit, dass sich Frauen UND Männer gemeinsam gegen die von politischen Parteien aus dem (vermeintlich) linken Spektrum (inklusive einer inzwischen bis zur Unkenntlichkeit weichgespülten CDU) und deren Vorfeldorganisationen betriebenen Spaltung der Geschlechter zu wehren.

Bis zu den Wahlen (Kommunal, Landtag, EU-Parlament) im kommenden Jahr zu warten halte ich für falsch. Tretet mit den gewählten Mandatsträgern auf kommunaler, Landes- und EU-Ebene in Kontakt und zeigt ihnen, dass es nicht so weitergehen kann bzw. wie es in Zukunft weitergehen soll.

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