"Macht’s gut, und danke für den Fisch" - Kritik am Verlautbarungsjournalismus der Dresdner Neuesten Nachrichten und (k)eine Reaktion
Douglas Adams schuf mit seiner fünfteiligen Romanserie Per Anhalter durch die Galaxis ein zeitloses Meisterwerk der Science-Fiction-Literatur, an dessen Skurrilität so mancher Lokaljournalist unfreiwillig erinnert.
Am 21. Januar 2023 schrieb ich einem Redakteur (freier Mitarbeiter) der "Dresdner Neuesten Nachrichten" eine Email zu seinem am Vortag erschienenen Artikel "Sicherheit für Radfahrer: Dresdner Grüne fordern Tempo 30 auf der Bautzner" und erhielt zwei Tage später folgende Antwort:
Lieber Herr Schäfer,
ich danke für Ihre Zeit und Mühe.
Beste Grüße,Elias Hantzsch
Nachfolgend meine - leicht angepasste - Email:
Hallo Herr Hantzsch,
mit großen Erstaunen habe ich Ihren Artikel gelesen.
Erstaunt war ich, weil nahezu der gesamte Artikel aus der Wiedergabe des Grünen-Antrags besteht.
Erstaunt war ich, weil er hinter einer Bezahlschranke steht, obwohl kein journalistischer Mehrwert darin zu erkennen ist.
Erstaunt war ich über den letzten Satz: "Parteiübergreifend fand
der Vorschlag im Stadtbezirksbeirat Zustimmung, nur die Vertreterin der
AfD stimmte dagegen."
Waren Sie denn in der entsprechenden Sitzung?
Ich war es nicht, aber ich kenne den Stadtbezirksbeirat von vielen vorangegangenen Sitzungen.
Falls Sie widererwartend doch an Fakten interessiert sein sollten, will ich Ihnen nachfolgend welche mit auf den Weg geben.
Da wäre z.B. die Tatsache, dass der #staDDrat im April 2021 einstimmig einen Grünen-Antrag beschlossen hat: Sofortprogramm zur Entschärfung der gefährlichsten Stellen für Radfahrende
In der entsprechenden Sitzung hat der grüne Verkehrsbürgermeister
(Stephan Kühn) einer möglichen Zustimmung zum Beschlusspunkt 4 insofern
widersprochen, als dass er behauptete, die Daten des Statistischen Bundesamtes seien nicht verwertbar, weil sie nicht der Qualität von denen der Dresdner Polizei entsprächen.
Dass die Daten natürlich nur von der Polizei stammen können, sollte
jedem, der nicht beim Radfahren unglücklich auf den Kopf gestürzt ist,
klar sein, oder?
Am 29. Dezember 2022, also weit über 600 Tage nach dem Beschluss,
hat dieser grüne Verkehrsbürgermeister eine erste Beschlusskontrolle (PDF) zu
dem Grünen-Antrag für ein SOFORT-Programm im Ratsinfo eingestellt.
Darin heißt es zu Beschlusspunkt 4 wie folgt:
"Eine Analyse der Datenverfügbarkeit wurde erstellt. In weiteren
Schritten sind die Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen für die
Übertragung der Daten in den Themenstadtplan zu untersuchen."
Als Anlage übersende ich Ihnen die Antwort der Stadtverwaltung auf eine von mir vor fast genau drei Jahren gestellte E-Petition.
Wie Sie dem Petitionstext selbst entnehmen können, habe ich den
Link zum Datensatz mitgeschickt. Drei Jahre danach ist ein grüner
Bürgermeister nicht in der Lage den einstimmigen Beschluss des #staDDrat
zu einem SOFORT-Programm insofern umzusetzen, als
dass er die Unfallhäufungsstellen im Themenstadtplan abbildet.
Und soll ich Ihnen etwas Überraschendes mitteilen?
Ich habe rund zwei Stunden benötigt, um die Tabelle der Unfälle mit Personenschaden in 2021 zu erstellen.
Darin finden Sie nicht nur eine Auswertung nach verschiedenen
Kriterien, sondern auch Links zu den Unfallstatistiken der Jahre 2016
bis 2020 und auch den Link zur entsprechenden Karte.
Um es Ihnen einfach zu machen, habe ich den Kartenausschnitt für 2021 auf die Bautzner Straße zwischen Martin-Luther-Straße und
Radeberger Straße eingestellt
Wie Sie dort sehen können, gab es 2021 fünf Unfälle mit
Personenschaden, zwei unter ausschließlicher Beteiligung von Radfahrern
(jeweils einer oder mehrere) und drei unter Beteiligung von Radfahrern
und PKW. Alle drei ereigneten sich in Kreuzungsbereichen,
bei zwei davon handelte es sich um Abbiegeunfälle.
Ich könnte Ihnen Dutzende von Anträgen der Grünen bzw. Petitionen
zur vermeintlichen Steigerung der Verkehrssicherheit zeigen, die ohne
jegliche Faktenbasis auskommen und einfach eine mögliche Gefährlichkeit
für Fußgänger und/oder Radfahrer behaupten.
Es besteht aber offenbar weder bei den grünen Stadträten, noch beim
grünen Verkehrsbürgermeister ein Interesse daran, die tatsächlich
gefährlichen Stellen zu identifizieren, denn dann wären viele der
Anträge und Petitionen überflüssig.
Noch ein Fakt zum Schluss:
Die Landeshauptstadt Dresden ist als untere Straßenverkehrsbehörde
verpflichtet, Unfallhäufungsstellen zu entschärfen. Stattdessen wird sie
von der Politik regelmäßig mit (größtenteils sinnlosen) Prüfaufträgen
für 30er-Zonen und Zebrastreifen o.ä. zugemüllt.
Verkehrssicherheit im Allgemeinen bzw. die Entscheidung über die
Einrichtung von 30er-Zonen und Zebrastreifen im Besonderen fallen aber
per Gesetz in die Zuständigkeit der Verwaltung (Exekutive) und nicht in
die der Politik. Sie kann auch nicht Sache von
Mehrheitsentscheidungen sein. Genau diesen Eindruck will aber die
Partei, die den Verkehrsbürgermeister ins Amt gehoben hat, regelmäßig
mit ihren Anträgen erwecken.
Sollten Sie Rückfragen haben, stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Gregor Schäfer aka fidelkarsto
P.S. Doch noch ein Schmankerl: eine Übersicht über die E-Petitionen, von denen sich ein Großteil um das Thema Verkehr dreht.
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